Zentralität im Spannungsfeld - Wirkt die City noch als Magnet? (November 2024)
Domino Konkret Newsletter vom November 2024
Die Ergebnisse der letzten drei Landtagswahlen und vor allem der Erfolg von Donald Trump bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen scheinen als allerletzter Beweis: Die Bevölkerung in eher ländlich strukturierten Gebieten und die Einwohner in Ballungsgebieten entwickeln sich in ihren Meinungen, Befindlichkeiten und Bedürfnissen diametral auseinander, was zu immer tieferen Gräben innerhalb der Bevölkerung führt. Der urban geprägte Großstadtmensch hat offenbar einen vollkommen anderen Blick auf die Dinge als Reihenhausbewohner in Dorfrandlage mit anderen Lebensmodellen, Alltagszwängen und somit auch Konsumbedürfnissen.
Was aber bedeutet diese Erkenntnis für den Zentralitätsanspruch von Oberzentren hinsichtlich des Einzelhandels in innerstädtischen Fußgängerzonen? Können Großstädte mit hoher Magnetwirkung auf die Umlandgemeinden bestenfalls so etwas wie eine Scharnierfunktion ausfüllen, um das Auseinanderdriften großer Bevölkerungsteile abzumildern oder gar zu stoppen?
Denn wenn die eher konservative Landbevölkerung auch weiterhin in möglichst attraktiver Citylage auf „moderne Urbanisten“ trifft, man miteinander ins Gespräch kommt, gemeinsam lacht, isst, trinkt und jeder seinem Modegeschmack entsprechend das Richtige findet, dann kann Verbindendes entstehen und das allseits befürchtete Auseinanderdriften von Establishment und Kleinbürgertum ließe sich noch abwenden.
Zentralität und Mindestgröße sind dabei nur relativ: Wenn etwa die holsteinische Landbevölkerung gerne zum Einkauf in die Millionenstadt Hamburg fährt, so sind die Schwarzwald-Bewohner offenbar bereits von „ihrem“ Oberzentrum Freiburg begeistert, was im Vergleich zur Elbmetropole lediglich ein Zehntel von deren Einwohnerzahl erreicht.
City-Marketing zwingt jede ambitionierte Kommune zur Selbst-Beantwortung einer zentralen Frage: Wollen wir auch außerhalb der Stadt noch irgendjemanden mit irgendetwas begeistern oder sind wir uns bereits selbst genug? Und hier können dann mitunter vollkommen diametrale Strategien aufeinanderprallen, wie das bereits im letzten Domino konkret unter der Überschrift „Wenn die City nicht mehr Zentrum ist - Kaufkraft geht auf Wanderung“ ausführlich dargelegt wurde.
Jüngst wurde dieses Dauer-Thema wieder in der Immobilien Zeitung (IZ) aufgegriffen. Dort verweist Redakteur von Schwanenflug auf die in vielen Städten nicht (mehr) vorhandenen verbindlichen Leitbilder zur Innenstadtentwicklung ohne Klärung eines Zentralitätsanspruchs, indem er fragt: „Sind Magnet-Immobilien, wie sie Warenhäuser in der Nachkriegszeit waren, heute überhaupt noch gewünscht?“ um abschließend zu zweifeln “Ist die 15-Minuten-Stadt, um eines der aktuellen Leitbilder im Städtebau zu zitieren, mit ihrem polyzentrischen Ansatz nicht geradezu eine Absage an eine innerstädtische Leitimmobilie, wie sie einst das Warenhaus neben Kirche und Rathaus war?“
Eine für den Einzelhandel wünschenswert hohe Zentralität bedarf drei wichtiger Voraussetzungen:
Erstens braucht es Leuchtturm-Projekte, die weit über die Stadtgrenze hinweg ausstrahlen. Tatsächlich waren das über Jahrzehnte hinweg vor allem die großen Warenhäuser, wo bei jeder Eröffnung hunderte Konsumenten auf den allerersten Einlass warteten. Auch heute gibt es noch Warteschlangen, wenn zum Beispiel Sonder-Editionen von Swatch-Uhren oder Nike-Schuhen nach großen Ankündigungen online im Web und dann später offline vor Ort verkauft werden. Über eine längere Zeit hinweg leerstehende Warenhäuser sind dagegen Gift für jeden Zentralitätsanspruch. Lieber eine Zwischennutzung mit Überraschungseffekten als eine Dauerlösung mit wenig bis keinerlei Ausstrahlung auf potenzielle Besucher von außerhalb.
Zweitens darf bei kaufkräftigen Gästen von auswärts gar nicht erst das Gefühl entstehen, man wolle ihnen Steine in den Weg legen und sowohl die Anreise als auch das Parken selber so unbequem und teuer wie möglich machen. Der oftmals vorgeschobene Hinweis auf den doch so umweltfreundlichen ÖPNV verblasst mit jeder Pressemeldung über dessen Unzuverlässigkeit sowie der Zunahme von Gewalt in Bussen und Bahnen verbunden mit inzwischen regelmäßig aktualisierten Statistiken, welcher Hauptbahnhof hierzulande bei Messerstechereien die Tabelle gerade anführt.
In diesem Sinne müssen drittens die bislang üblichen Mindestkriterien für eine gute Aufenthaltsqualität in der City ergänzt werden um die Aspekte Sicherheit und auch Sauberkeit. Insbesondere dann, wenn die langen Sommertage zum Winter hin wieder kürzer werden.
Die Realität geht wohl in eine andere Richtung: Selbst bislang besonders Innenstadt-affine Einzelhandelskonzepte interessieren sich zunehmend für eher dezentral angesiedelte Fachmarkt-Center. Hinter vorgehaltener Hand erläutern Expansionsleiter gegenüber Domino auch die Gründe: Diese Lagen seien in der Regel viel besser mit dem PKW zu erreichen, das Parken sei kostenfrei, die Mieten günstiger. Und im Übrigen sei es dort sehr viel sauberer als in vielen mittlerweile verwahrlosten Innenstädten. Die eigenen Mitarbeiter schließlich fühlten sich deutlich sicherer auf ihrem Heimweg nach Ladenschluss und müssten zudem nicht jeden Morgen „besondere Reinigungen“ im Eingangsbereich der Läden vornehmen.
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Self-Checkouts werden geschätzt - je nach Zielgruppe
Self-Checkouts sind besonders bei jüngeren Kunden beliebt, doch auch ältere Menschen erkennen zunehmend - wenn auch langsamer - ihre Vorteile. Laut einer Studie von EHI und KPMG empfinden 82 Prozent der regelmäßigen Nutzer der Checkouts das Einkaufserlebnis insgesamt als positiver. Trotzdem zeigt sich: Je jünger, desto mehr werden die Self-Checkouts genutzt. Während jüngere Generationen Zeitersparnis und Unabhängigkeit besonders schätzen, empfinden ältere Nutzer die Systeme teils als stressig. Künstliche Intelligenz könnte in Zukunft das Nutzungserlebnis verbessern, etwa durch automatische Altersverifizierung und barrierefreie Funktionen.
Abwanderung von stationärem zu Online-Handel?
Das IFH Köln „hat traditionell innenstadtrelevante Produktgruppen analysiert und einen stark wachsenden Online-Anteil festgestellt“, wie der Schuhkurier berichtete. Demnach sei in der Gesamtheit der Kategorien Fashion, CE/Elektro, Freizeit, Drogeriewaren, Wohnaccessoires, Uhren/Schmuck und Papier-/Schreibwaren der Online-Handel zwischen 2019 und 2023 um 9% gewachsen, die stationären Umsätze in derselben Zeit jedoch um 2% zurückgegangen.
Offline-Buchhandel übernimmt online
Thalia, Deutschlands größter Buchhändler, hat den insolventen Online-Händler buecher.de übernommen - inklusive aller Mitarbeiter, wie die Stuttgarter Zeitung berichtete. Buecher.de gehörte zur insolvent gegangenen Weltbild-Gruppe, soll als Marke bestehen bleiben und ergänzt das Thalia-Portfolio um einen Umsatz von 60 Millionen Euro (2023). Thalia profitiert zudem von früheren Weltbild-Übernahmen, darunter Kundendaten und E-Reader-Marken. Thalia selbst hatte im Geschäftsjahr 2023/2024 ein Umsatzwachstum von 8% auf 1,9 Milliarden Euro im DACH-Raum verzeichnet.
Innenstadtansicht
"Stimmungsaufheller" in der Innenstadt © Archiv DOMINO