Der Tristesse trotzen - Wie Fußgängerzonen attraktiv bleiben
Die Innenstädte Deutschlands sind nach wie vor die erste Adresse, wenn es um die Begegnung von Menschen und den Austausch von Waren geht.
Das hat jüngst wieder die Fußball-WM deutlich vor Augen geführt. Es zog die Menschen nicht auf die grüne Wiese, sondern man traf sich in den Innenstädten, um dort ausgelassen zu feiern – und auch einzukaufen.
Wer aber daraus ableitet, dass die traditionell gewachsenen 1A-Citylagen über eine ewige Anziehungskraft verfügen, sollte gewarnt sein: In vielen Innenstädten gibt es einen „Alten Markt“, was nichts anderes bedeutet, als dass ein neuer Handelsplatz den alten abgelöst hat.
Und in vielen Städten werden unsere Urenkel eine „Alte Fußgängerzone“ nur noch als Straßennamen im Stadtplan finden, während sie selbst in futuristischen Shopping-Malls konsumieren oder per Mausklick ihre Bestellung im Internet aufgeben.
Gibt es also Patentrezepte, um die Attraktivität der City auf absehbare Zeit zu erhalten? Oder sind die Eigentümer der Einzelhandelsimmobilien in vielen Innenstädten langfristig einer neuen Mieterstruktur ausgeliefert, die überwiegend aus McBillig-Läden besteht und durch „Miethopping“ und Leerstands-Management geprägt ist?
Leerstand und Verödung: Bonjour Tristesse
„Bonjour Tristesse“ ist bereits heute schon das Motto in vielen Fußgängerzonen, in denen noch vor wenigen Jahren das Leben pulsierte.
Ursachen für diese Verödungstendenzen in deutschen Innenstädten gibt es viele. Mit dem Ausschluss des Autoverkehrs seinerzeit haben die Fußgängerzonen an Vielfalt im Warenangebot eingebüßt. Möbelgeschäfte oder Elektrogroßgeräte-Händler sind wegen der schlechten Erreichbarkeit aus den besten Lauflagen weggezogen.
Eine weitere Ursache für den Verlust an Branchenvielfalt ist das hohe Mietniveau in den begehrten 1A-Lagen. Nur noch wenige Einzelhandelskonzepte können Spitzenmieten zahlen. Der Abstand unter den einzelnen Branchen wird dabei immer größer, was den Ausleseprozess zusätzlich beschleunigt.
Aber auch dort, wo wie in der Frankfurter City frühzeitig mit Gestaltungssatzungen auf den Branchenmix steuernd eingegriffen wurde, gibt es inzwischen unübersehbare Alarmsignale, wie sie jüngst sogar auf der Titelseite der F.A.Z ihr Echo fanden. Anlass dafür war die überraschende Nachricht, dass „Plöger schließt“, eine Frankfurter Institution im Feinkostbereich und nur noch vergleichbar etwa mit Dallmayr in München.
Was soll aus den Innenstädten nur werden, wenn derart attraktive Ladenkonzepte selbst in einer Finanz- und Bankenmetropole nicht mehr funktionieren, fragte der offensichtlich geschockte Leitartikler.
Ist vielleicht der Kunde Kern des Problems? Oder irren die Kommunalpolitiker, wenn sie aufgrund verlockender Gewerbesteuerversprechungen durch neue Einkaufscenter zunächst für zusätzliche Einzelhandelsflächen votieren, um dann einige Monate nach deren Eröffnung mit Erstaunen den Leerstand in der traditionellen Fußgängerzone zu bejammern.
Den plötzlichen Flächenzuwachs von 20.000 bis 40.000 m2 wird keine Klein- oder Mittelstadt ohne negative Folgen für die Fußgängerzone verkraften. Wer die Leerstände in Fußgängerzonen wie z. B. in der Hauptstraße von Weinheim an der Bergstraße kennt weiß, welche Folgen von einem großen EKZ wie dem Rhein-Neckar-Zentrum im benachbarten Viernheim ausgehen können.
Und auch in Großstädten wie Essen mit seinen fast 600.000 Einwohnern wird die City komplett auf den Kopf gestellt, wenn demnächst das neue Center am Limbecker Tor mit 70.000 m2 Verkaufsfläche eröffnet hat.
Das Thema ist inzwischen politisch wahlentscheidend. Bei den jüngsten Kommunalwahlen in Niedersachsen hat der amtierende OB Oldenburgs in der notwendigen Stichwahl gegen einen Professor verloren, dessen erklärtes Ziel die Verhinderung des innerstädtischen Einkaufszentrums am Schloss ist. Und auch in Celle zogen die Gegner der dortigen Center-Planungen neuerdings mit einer Mehrheit in das Stadtparlament ein, was den OB von Celle zu einem sofortigen Planungsstopp veranlasste.
Vielfalt statt Monotonie
Aus Kundensicht lässt sich das Anforderungsprofil an eine attraktive Innenstadt sehr einfach auf den Punkt bringen: Vielfalt statt Monotonie bzw. Erlebnis statt Langeweile.
Natürlich sollen alle Produkte trotz abklingender Geiz-ist-geil-Welle auch noch möglichst preisgünstig sein. Und gerade hier fängt das Dilemma an, wenn man sich die berechtigten Interessen des Einzelhandels oder der Hauseigentümer genauer anschaut.
Der Einzelhandel kann dem Preisdiktat der Kunden langfristig nur begegnen, wenn durch Zusammenschluss zu Einkaufsverbünden und/oder Expansion die Beschaffungskonditionen optimiert und Vertriebskosten minimiert werden können.
Die meisten dieser neuen Kooperations- und Expansionsmodelle führen tendenziell zu einem Verlust an Vielfalt. Hier steuern z. B. die Textilunternehmen, die mit 50-70 % die innerstädtischen Einzelhandelsflächen prägen, mit immer kürzeren Intervallen beim Wechsel der Kollektionen gegen.
Wenn ausreichend Kaufkraft vor Ort vorhanden ist, mag diese Strategie zur Attraktivitäts- und damit Frequenzsteigerung funktionieren.
Bei abwartendem Konsumverhalten müssen jedoch Sonderaktionen als Kaufanreiz und zur Kundenbindung überlegt werden.
In den großen Einkaufscentern mit zentralem Management ist das geschäftsübergreifend bereits gelebter Alltag. Und es funktioniert offensichtlich so gut, dass die jährlichen Umsatzzahlen der dort ansässigen Geschäfte nach den veröffentlichten Zahlen nur in eine Richtung nach oben zeigen.
Ausgewogener Branchenmix ist wichtig
Im Brennpunkt der innerstädtischen Entwicklung stehen mehr und mehr die Eigentümer der einzelhandelsgenutzten Immobilien, deren Entscheidungsparameter bzw. Erwartungen immer komplexer werden.
Vor einer schwierigen Entscheidung stehen Vermieter immer dann, wenn das Höchstgebot von einer Branche kommt, die bereits überproportional stark vor Ort vertreten ist. Sechs Telefonläden verteilt auf 50 m der Bahnhofstraße mögen nur in einer größeren Stadt wie Bielefeld attraktiv wirken.
Und dass sich mehrere Discountbäckereien mit Billigbrötchen zu Höchstmieten in direkter Nachbarschaft nicht dauerhaft wirtschaftlich betreiben lassen, musste gerade in den letzten Monaten so mancher Hauseigentümer erfahren, der sich nach gerade mal 2 Jahren nach einem neuen Mieter bzw. Untermieter umsehen musste.
Immobilien mit häufigem Mieterwechsel erleiden schnell einen Wertverlust und werden mittelfristig als „schwer vermittelbar“ stigmatisiert.
Zu empfehlen ist daher im Falle einer Neuvermietung nicht nur vordergründig das Erzielen einer Höchstmiete. Nachhaltig wertstabil bleibt die Immobilie vor allem dann, wenn das Umfeld insgesamt 1A ist und vor allem auch bleibt.
Branchenvielfalt und die gepflegte, moderne Außenhülle der eigenen Immobilie einschließlich einer modernen Schaufensterfront tragen als Teil des Innenstadtmosaiks wesentlich dazu bei.
Die Kostenverteilung bei anstehenden Modernisierungsmaßnahmen kann genauso in die Verhandlungsmasse mit eingebracht werden, wie die Dauer des neuen Mietvertrages, Verlängerungsoptionen und Preisanpassungsklauseln.
Fazit
Attraktive Fußgängerzonen sind zukünftig in größeren Städten am ehesten gewährleistet, bei denen der Dreiklang „Rennmeile-Nobelmeile-Gastromeile“ funktioniert.
Voraussetzungen dafür sind:
genügend geeignete Ladenlokale, die den hohen Ansprüchen frequenzbringender Filialbetriebe in einer „Rennmeile“ genügen,
ein Mindestmaß an vorhandener Kaufkraft für den gehobenen Konsumbedarf in einer „Nobelmeile“,
ein städtebaulich ansprechendes Ambiente mit Plätzen und Hofsituationen, die zum Verweilen in der City einladen.
Sobald auch nur eine dieser drei Voraussetzungen vor Ort nicht erfüllt ist oder durch massive Eingriffe in regionaler Nachbarschaft beeinträchtigt wird, ist die 1A-Lage gefährdet.
Dann muss nach den langjährigen Erfahrungen von Domino mit Zugeständnissen bei allen Beteiligten gerechnet werden, wenn die Neuvermietung einer Immobilie ansteht.
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